Profile im Wandel
"Nichts ist so beständig wie der Wandel!" Dieser eigentlich etwas abgedroschene Spruch trifft jedoch auch in der Bauindustrie und insbesondere, was ihre Strukturen angeht, oft den berühmten Nagel auf den Kopf. Es ist in der recht konservativen Branche wohl nicht damit zu rechnen, dass aus einem Kalkulator ein Bauprojektanalytiker wird. Das wäre eigentlich die den Ansprüchen an die Aufgabe entsprechende Bezeichnung der Neuzeit. Dennoch haben sich einige Leistungsfelder geändert oder sind hinzugekommen, so dass auch neue Positionen oder Positionsinhalte entstanden sind.
Nachdem sich vor ca. 20 Jahren, z.B. mit der Projektentwicklung, plötzlich neue Berufsfelder für Bauingenieure und Baukaufleute auftaten, lassen sich auch in jüngster Zeit "Positionswandlungen" erkennen, die sich zwangsläufig aus einem veränderten Markt für Bauleistungen heraus ergeben haben. Da wäre zunächst einmal der Oberbauleiter, dessen Tätigkeitsfeld ohnehin nicht von kleinen und großen Unternehmen der Bauwirtschaft gleich interpretiert wurde bzw. wird. Immer noch werden Oberbauleiter gesucht, die weniger eine Managementfunktion als Leiter einer Riege von Bauleitern ausüben, sondern lediglich für die Leitung eines großen Bauprojektes vorgesehen sind. Also eigentlich - aus vielleicht unterschiedlichen, hier nicht relevanten Gründen, eine "Achselklappe" für den gehobenen Bauleiter, nichts weiter! Im sich wandelnden Markt zeigt sich in den zehn Jahren ganz deutlich der Abbau eigener Arbeitskräfte zugunsten von Arbeitskräften aus Billiglohn-EU-Ländern/Nicht-EU-Ländern. Daraus resultiert, daß der Bedarf an qualifizierten Bau- und Oberbauleitern vom alten Schlag und Anforderungsprofil erheblich rückläufig ist oder vielleicht nur noch für Ingenieurbausparten in gleichem Maße relevant bleibt wie früher. Beim schlüsselfertigen Bauen hingegen kommt mehr und mehr der Projektleiter zum Einsatz, insbesondere dann, wenn das auftragnehmende Unternehmen nur noch die Generalübernehmerfunktion ausübt, d.h. nur noch mit Subunternehmern arbeitet, sowohl im Roh- als auch im Ausbau einer Baumaßnahme. Daher erweitert sich die Verantwortung des Projektleiters entsprechend der zum Zuge kommenden Phasen der HAOI und übersteigt deutlich Aufgaben und Verantwortung eines herkömmlichen Oberbauleiters. Damit soll nicht gesagt werden, daß der Oberbauleiter alter Prägung nicht in der Lage wäre, die Funktion eines Projektleiters zu übernehmen, doch er muß sich der erweiterten Verantwortung auch bewußt sein, sonst drohen Projektverluste! Ein anderes Beispiel über einen dem Markt konformen Wandel von Positionsinhalten bzw. Anforderungsprofilen von Führungskräften in der Bauwirtschaft bildet der Baukaufmann. Früher war es üblich, daß der Baukaufmann über eine Lehre oder - sofern er ein betriebswirtschaftliches Studium vorweisen konnte - über ein mehrjähriges Traineeprogramm in die Baustellenthematik eingeführt wurde. Dazu kommt, daß der Baukaufmann bis vor einigen Jahren auch eher als eine Führungskraft zweiter Klasse betrachtet wurde, wobei persönliche und fachliche Ressourcen nur zu dem Teil genutzt wurden, den der Bauingenieur für richtig erachtete. Doch in den letzten Jahren mit schwankenden Konjunkturverläufen und Baustellenhorrorergebnissen haben alle Beteiligten dazu gelernt, was auch heißt, daß der Bauingenieur moderner Prägung die Daseinsberechtigung des Kaufmannes nicht nur akzeptiert, sondern seinen unternehmerischer als früher geprägten Einsatz mehr und mehr schätzen gelernt hat, da er mit dem Wandel im Markt auch darauf mehr angewiesen war als früher. Zur Projektentwicklung z.B. gehören eben zwingend Wirtschaftlichkeits- und Finanzierungsüberlegungen, Nutzungskonzepte und Vertriebsüberlegungen, sowohl im gewerblichen als auch im Wohnungsbau! Außerdem können Kaufleute und Ingenieure prächtig an einem "unternehmerischen Strang" (z.B. Akquisition) ziehen, um alle Ressourcen optimal zu nutzen. Soweit es sich um ein Unternehmen handelt, daß nach erwerbswirtschaftlichen, auf Gewinn gerichteten Maximen arbeitet, steht jede technische Lösung nur dann im Vordergrund der Überlegungen, wenn sie ein positives Objektergebnis nach sich zieht. Nur wenige Ausnahmen, die beschäftigungs- oder marktpolitisch motiviert sein können, dürfen die Ausnahme bilden, denn eine andere Unternehmenspolitik würden nur "schwerreiche" Unternehmen durchhalten, die sich aber sicherlich von ihren Aktionären oder sonstigen Anteilseignern auf den jährlichen Hauptversammlungen massive Vorwürfe gefallen lassen müßten, wenn ihre Vorstände und Geschäftsführer nicht nach diesen Maximen handeln würden. Einer der obersten Grundsätze muß sein, das Kapital der Anteilseigner zu mehren und nicht prestigeträchtige, jedoch verlustreiche Prachtprojekte durchzuziehen! Natürlich können auch Überlegungen zu Marktanteilen eine bedeutsame Rolle spielen, doch insgesamt gesehen, dürften diese Überlegungen nur kurzfristigen strategischen Wert besitzen!