Fragen im Vorstellungsgespräch
Immer wieder taucht in Gesprächen mit Absolventen die Frage auf, welche Fragen an die Seite des ausschreibenden bzw. einstellenden Unternehmens angemessen sind und nicht lediglich als aufgesetzt empfunden werden. Grundsätzlich gilt aber, dass der Bewerber um eine Führungsposition zu erkennen geben muss, dass er sich gründlich auf das Vorstellungsgespräch vorbereitet hat, was ja heute im Zeitalter des Internets und der Homepages ganz gut geht.
Hierzu ist zunächst einmal zu bemerken, daß der Befragte ein wirkliches Interesse des Fragenden spüren sollte, denn schließlich werden auch im möglicherweise folgenden Anstellungsverhältnis das Interesse des Jungingenieurs für alles Neue, sein Kommunikations- bzw. Kontaktvermögen sowie seine Einsatzbereitschaft und seine Initiative im Vordergrund seiner Arbeit stehen. Hinzu kommt, daß die Fragen und die Art und Weise, wie diese gestellt werden, Rückschlüsse auf Fingerspitzengefühl und “Kinderstube” zulassen. Im Nachfolgenden nun einige Fragen, die wichtig sind und auch als solche empfunden werden: Unternehmensgröße (Umsatz und Beschäftigte), Sparten (z.B. SF-Bau), besondere Schwerpunkte, besonderes Know-how (z.B. Tunnelbauverfahren), Unternehmensstrategie (z.B. Ausrichtung auf GÜ- oder GU-Funktion oder aber weiter mit eigenen Gewerblichen, nationale oder auch internationale Betätigung), Marktposition (versteht sich das Unternehmen als Spezialanbieter oder steht es im normalen Wettbewerb), Fortbildungsprogramme (vor allem kaufm. Zusatzausbildungen oder -unterweisungen werden immer wichtiger, da sie bisher an Hochschulen nicht ausreichend berücksichtigt werden; wichtig außerdem: Bauvertragsinterpretationen sowie VOB) Natürlich kann man sich auch brennend dafür interessieren, ob ein Traineeprogramm angeboten wird und, wenn nicht, ob das Unternehmen einen Einarbeitungsplan für Jungingenieure besitzt, in welchem - zumindest grob gerastert - festgelegt ist, welche Zeiträume man im TB (soweit vorhanden), der Arbeitsvorbereitung, der Kalkualion und der Bauleitung verbringen wird. Von besonderem Interesse ist auch,wie das Unternehmen organisiert ist (Organigramm), ob es Stellen- und Funktionsbeschreibungen gibt und ob eine regelmäßige Leistungsbewertung für alle Führungspositionen vorgenommen wird, die nicht - wie überwiegend bei Bauleitern üblich - über vertragliche Regelungen (Betriebsergebnis) beim Einstieg festgelegt wurde?Rein psychologisch gesehen, wirken natürlich alle Fragen an einen Unternehmer oder Unternehmensgeschäftsführer ungünstig, wenn die Antworten Schwächen des Unternehmens offenbaren würden. Insoweit darf man gewiß sein, daß solchen Fragen in der Regel elegant ausgewichen wird, z.B.: Gibt es einen Austausch von Führungskräften zwischen den Niederlassungen in einer Bau-AG oder einem sonstigen Großunternehmen? Die meisten Bau-AG’s müßten diese Frage verneinen, denn eine solche Durchlässigkeit, die eigentlich von großem Interesse für die Unternehmen sein müßte, wird nicht oder nur äußerst selten praktiziert. Überflüssig sind auch Fragen nach Bilanzzahlen, die zwar für einen Vorstand oder Geschäftsführer dringende Relevanz besitzen, nicht jedoch für einen Berufsanfänger. Wichtig wiederum die Frage: Wie sieht bei Ihnen das Controlling aus und mit welcher Software arbeiten Sie auf diesem Gebiet; gibt es ferner eine Auftragskalkulation? Die meisten Unternehmen, die in der heutigen Zeit scheitern, haben diese Bereiche in den vergangenen Jahren nicht erfolgreich bewältigt bzw. das nötige Instrumentarium implementiert. Betreiben Sie auch Projektentwicklung?Diese Frage könnte in der heutigen Zeit als ziemlich impertinent empfunden werden, wenn man um die Verluste weiß, die manches Unternehmen hinnehmen mußte, weil es die Risiken nicht richtig eingeschätzt hatte. Die Frage an sich ist berechtigt, weil eine risikoarme Projektentwicklung sehr viele Vorteile mit sich bringt, doch momentan wird sie nicht überall als opportun und glücklich empfunden. Weniger glücklich wären auch folgende Fragen: Können wir auch über einen Dienstwagen reden? oder Glauben Sie, daß ich montags, mittwochs und freitags pünktlich das Haus verlassen kann? Ich habe dann nämlich meine Sportabende. Dienstwagen sind natürlich in der Bauwirtschaft nicht selten anzutreffen, doch sie werden in der Regel nur dann gewährt, wenn sie einem realistischen Unternehmenszweck dienen. So bekommen naturgemäß Bauleiter leichter einen Dienstwagen zur Verfügung gestellt als etwa Kalkulatoren, die sich aus dem Fahrzeugpool bedienen können. Außerdem wird der einstellende Gesprächspartner kaum recht begeistert über seinen potentiellen neuen Mitarbeiter sein, wenn dieser schon im Vorstellungsgespräch seine Zeit für das Unternehmen beschränkt.Also, ein wenig Fingerspitzengefühl gehört immer dazu, im Einstellungsgespräch wie überhaupt im Leben.Natürlich kann man nicht alle möglichen Fragen eines Vorstellungsgespräches vorhersehen. Zu verschieden sind eben die Menschen, die fragen und die, welche antworten. Doch die gröbsten Fehler lassen sich vermeiden, wenn man immer bedenkt, daß die Unternehmen Interesse, Aufgeschlossenheit, Initiative und Engagement für die neue Aufgabe erwarten, und dies zu Recht, denn schließlich bezahlen sie dies auch gut. Der engagierte Jungingenieur findet zudem oft eine Synthese aus interessanter Aufgabenstellung und leistungsgerechter Bezahlung vor, wobei die Aufgabenstellung sich immer mehr zu einer Kombination aus technischem, kaufmännischem und juristischem Management entwickelt hat. Diesem Trend sollte jeder Absolvent, ob von der TH/TU oder der FH kommend, schnellstens Rechnung tragen und sich entsprechend fortbilden.