Die Zukunft der Bewerbung
Wenn man über die Zukunft der Bewerbung nachdenkt, ist es erforderlich, zunächst kurz die Vergangenheit und Gegenwart zu betrachten, weil sich aus diesen beiden - zumindest teilweise - die Zukunft entwickeln wird. Geht man in die siebziger bis zweitausender Jahre zurück, so blickt man auf einen ganz anderen Personalmarkt als heute. Die meisten Unternehmen konnten aus einer Vielzahl von Bewerbungen auswählen. Schriftproben wurden für ein graphologisches Gutachten sehr oft angefordert, Persönlichkeitstest verlangt oder Assessment-Center veranstaltet. Der Personalmarkt zeigte sich, vor allem entsprechend wechselnder Konjunkturverläufe, eher volatil. Die Vorauswahlen der Unternehmen oder der Berater umfassten etwa 5 - 10 Bewerbungen, die in der Regel durch Vorstellungsgespräche in den Unternehmen oder beim Berater auf maximal 3 Bewerbungen reduziert wurden. Das war die "goldene Zeit" der Unternehmen, also ein Markt mit Angebotsschwerpunkt.
Infolge der guten Konjunkturen in fast allen Wirtschaftsbereichen hat sich der Personalmarkt in den -mindestens- letzten zehn Jahren zu einem Nachfragemarkt entwickelt, auf welchem tatsächlich sehr häufig gar keine Bewerbung zur Verfügung steht und mit großer Mühe nach einem passenden Kandidaten, oft wochen- oder monatelang, gesucht werden muss.
Dies war u.a. auch die Stunde der Jobbörsen, welche mit geschicktem Marketing ein sehr umfangreiches "Agenturgeschäft" aufbauen konnten. Damit wurde der Bewerbungsprozess für den Kandidaten sehr vereinfacht, doch die eigentliche Arbeit im Detail verbleibt natürlich bei den Unternehmen oder wird diesen von Beratern abgenommen, soweit diese eine dafür geeignete Expertise besitzen. Hinzu kommt, dass augenblicklich, bedingt durch die Corona-Pandemie, selbst Vorstellungsgespräche über Teams abgewickelt werden, ohne dass es einen ganz persönlichen Eindruck zweier Menschen gibt, die sich gegenüber sitzen. Diesen persönlichen Eindruck benötigt auch der Bewerber, um sich für ein Unternehmen und den oder die darin tätigen Menschen zu entscheiden. Doch dies ist über Teams o.ä. nicht gewährleistet.
So sehen wir heute zwei Szenarien, die entsprechend der Konjunktur zwischen den zwei geschilderten Polen hin und her schwanken können. Wahrscheinlich werden aber die Onlineaktivitäten in jeder Hinsicht zunehmen und sich damit die Auswahl eher flüchtiger vollziehen.
Interessant in diesem Zusammenhang ist auch, dass in der auf die Bewerbung und Einstellung folgenden Praxis ein Enttäuschen oder gar Versagen des eingestellten Kandidaten sehr oft bei Kandidaten gesucht und gefunden wird. Aber wer hat ihn denn eingestellt?